Als Sturm Xavier letzte Woche auf Deutschland traf, war ich dem Chaos gerade davongeflogen. In der slowakischen Hauptstadt Bratislava angekommen, genoß ich frühlingshafte 21 Grad und warme Sonnenstrahlen im Gesicht. Nur der Blick auf die Nachrichten in meinem Smartphone verriet mir, dass Xavier in Deutschland massiv wütete. Sogar von Toten war die Rede.
„Glück gehabt!“, dachte ich und fand mein eigenes Timing hervorragend. Wie falsch ich lag, konnte ich in dem Moment noch nicht ahnen. Die Erlebnisse auf dem Rückweg, drei Tage später, verbuche ich einfach unter Reisepannen. Man könnte auch sagen, dass Murphy’s Law mich mitten ins Gesicht traf. Natürlich steckte Sturm Xavier dahinter.
Sturm Xavier – Hamburg
Am Sonntagabend landete ich am Hamburger Airport. Ein Zugticket nachhause war längst gebucht. Natürlich hatte ich einen großzügigen Zeitpuffer eingeplant, schließlich kann beim Reisen immer mal etwas schief gehen. Mein Gepäck hatte ich aufgegeben. Meistens vermeide ich das. In dem Fall war mein Trolley jedoch so schwer, dass ich mir den Stress nicht antun wollte. Also stand ich am Gepäckband und wartete auf den Trolley. Völlig entspannt, denn ich hatte Zeit genug bis der Zug fuhr. Spätestens in einer halben Stunde musste ich erst los in Richtung Hauptbahnhof. Also wartete ich und wartete und wartete…
Ein kurzer Moment der Unruhe erfasste mich, als ich auf dem Smartphone meine E-Mails checkte. Freundlich wurde mir dort von der Bahn mitgeteilt, dass mein Zug ausfällt. Oha! Schnell checkte ich also Alternativverbindungen. Dumm nur, dass alle Züge in Richtung Osnabrück ausfielen. Bis auf einen! Um diesen zu bekommen, musste ich jedoch in den nächsten fünf Minuten los, um rechtzeitig am Hauptbahnhof zu sein.
Aber, da war ja was. Richtig! Mein Koffer. Der ließ auf sich warten. Ich konnte also nicht los. Ich wartete noch einige Minuten und machte mich schließlich zum Schalter auf, um mein Gepäck verloren zu melden. Auch da musste ich etwa eine halbe Stunde warten, bis die Leute vor mir ihre Koffer beschrieben und ihre Probleme erörtert hatten. Währenddessen buchte ich schnell ein Hotelzimmer, denn mittlerweile hatte ich alle Hoffnung auf eine heutige Abreise aus Hamburg verloren. Ich konnte es kaum glauben, als der Mitarbeiter am Schalter mir im Anschluss verriet, dass einige Koffer aus meiner Maschine versehentlich auf dem falschen Band gelandet waren. Und so war es tatsächlich. Meinen Koffer fand ich einsam und allein an Band 3 stehend. Die Warterei an Band 8 hätte ich mir also sparen und stattdessen den einzigen Zug nachhause nehmen können. Aber nun war das Kind in den Brunnen gefallen.
Während ich es mir im Hotel gemütlich machte und dachte: „Ok, Problem gelöst. Morgen geht’s mit dem ersten Zug nachhause“, lachte sich währenddessen Sturm Xavier irgendwo ins Fäustchen. Murphy’s Law wäre schließlich nicht Murphy’s Law, wenn der Spaß nicht noch weitergehen würde.
Sturm Xavier – Rotenburg Wümme
Am nächsten Morgen nahm ich den ersten Zug in Richtung Osnabrück. Auf der Webseite der Bahn wurden immer noch viele ausgefallene Züge angezeigt, dieser jedoch nicht. Kaum waren wir losgefahren und ich schon im sicheren Glauben bald zuhause zu sein, sagte der Schaffner durch, dass der Zug nur bis Rotenburg Wümme fährt und wir von dort mit dem Schienenersatzverkehr weiterfahren müssen nach Bremen. Oha! „Das ist ja gut organisiert“ dachte ich anerkennend. In Rotenburg Wümme wurde ich eines besseren belehrt. Es gab keinen Schienenersatzverkehr. Mit etwa 100 Leuten standen wir uns bei Eiseskälte die Beine in den Bauch. Es dauerte zwei Stunden bis schließlich ein Bus vorfuhr. Währenddessen waren bereits einige Leute wieder zurückgefahren nach Hamburg, um sich auf einem anderen Weg in Richtung Süden durchzuschlagen. Der verbleibende Haufen stürmte den Bus in Richtung Bremen und war einfach nur froh und glücklich endlich weiterzukommen.
Sturm Xavier – Bremen
In Bremen angekommen, musste ich desillusioniert feststellen, dass auch dort nicht allzu viel ging in puncto Transport. Die Dame an der Info zuckte resigniert mit den Schultern, als ich fragte, wie ich nach Osnabrück komme. Supersache! Sie recherchierte ein wenig und riet mir schhließlich mit dem Bus nach Delmenhorst zu fahren (häh?) und von dort die Nordwestbahn nach Osnabrück zu nehmen. Oje, konnte ich mich denn darauf verlassen? Leider nicht, aber einen Versuch wärs wert. Eine andere Möglichkeit hätte ich sowieso nicht.
Mit etwa 300-500 anderen gestrandeten Menschen fand ich mich also auf dem Bussteig wieder. Dort herrschte das absolute Chaos. Keiner wusste so recht wohin. Einige völlig überforderte Bahnmitarbeiter taten ihr Bestes, um den Leuten weiterzuhelfen. Kaum kam ein Bus für eine bestimmte Stadt vorgefahren, wurde er regelrecht gestürmt. War er voll, wurde vor den Türen gezetert und geschimpft. Denn wer zu spät kommt oder wer nicht aufpasst, den bestraft das Leben. War ja schon immer so. Aber in dem Fall mussten die Bahnmitarbeiter herhalten und wurden angepöbelt, warum sie denn nicht Bescheid gesagt hätten. Während ich einen begehrten Platz im Delmenhorst-Bus ergattert hatte, schaute ich mir das Schauspiel vor dem Bus an und kam mir vor, wie in einer Comedy-Show. Aber klar, ich hab ja gut Reden. Ich hatte ja meinen Platz im Bus nach Delmenhorst.
Sturm Xavier – Delmenhorst
Mit einem dumpfen Gefühl fuhr ich also in die Stadt, die eigentlich nicht auf dem Weg liegt. Dumpfes Gefühl deshalb, weil ich ja nicht sicher sein konnte, dass von Delmenhorst tatsächlich eine Bahn fährt. „Was mache ich eigentlich, wenn nicht?“, fragte ich mich. „Dann setze ich mich auf den Bahnsteig und heule“, ging mir durch den Kopf. Doch ausgerechnet Delmenhorst sollte Murphy’s Law durchbrechen. Die Bahn fuhr. Eine Bimmelbahn vor dem Herren, denn jetzt kenne ich alle Dörfer zwischen Delmenhorst und Osnabrück, aber ich bin angekommen. Etwa neun Stunden nachdem ich morgens in Hamburg aufgebrochen bin.
Sturm Xavier – Back in Osnabrück
Die Beseitigung der Sturmschäden nahm danach noch einige Zeit in Anspruch. Xavier hatte offenbar ganze Arbeit geleistet. Ein Hoch auf die emsigen Bahnmitarbeiter, die mit vielen schlecht gelaunten Fahrgästen konfrontiert waren und trotzdem ihr Bestes gaben, um die Leute zu informieren und zu transportieren (wohin auch immer). Der Schienenersatzverkehr war zwar vorhanden, aber in viel zu kleiner Anzahl. Für Sturmschäden kann niemand etwas, aber ich hätte dennoch eine etwas bessere Organisation erwartet.
„Glück gehabt!“, kann ich dennoch sagen, denn meiner Familie und meinen Freunden geht es gut. Sie wurden verschont von herabstürzenden Bäumen und größeren Schäden und ich bin froh, dass wir alle so glimpflich davongekommen sind.
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