Auf unserer letzten Reise nach Südtirol fuhren wir über den Reschenpass, um auf dem Weg ins Meraner Land einen kurzen Stopp am Reschensee in Graun einzulegen. Dort befindet sich eine ganz besondere Sehenswürdigkeit, die ein beliebtes Fotomotiv und ein Touristenmagnet ist. Der versunkene Kirchturm im Reschensee ragt mystisch und ein wenig skurril aus dem Wasser. Schnell drängt sich da die Frage auf: „Warum ragt ein Kirchturm aus dem See?“ Nun, die Geschichte dahinter ist leider recht traurig. Sie erinnert auch heute noch vor allem ältere Bewohner der Dörfer Graun und Reschen an eine schlimme Zeit.
Was ist die Geschichte hinter dem versunkenen Turm?
Der Turm stammt aus dem Jahr 1357 und gehörte einst zur Pfarrkirche St. Katharina in dem Dorf Graun (italienisch: Curon). Damals gab es in der direkten Umgebung noch drei Seen: den Reschensee, den Mittersee (wird auch Graunersee genannt) und den Haidersee. Nach dem ersten Weltkrieg wurde Tirol geteilt und Südtirol Italien zugesprochen. Die italienische Regierung plante daraufhin zur Energiegewinnung eine Seestauung von fünf Metern. Diese wäre für die Bewohner der Ortschaften Graun und Reschen nicht existenzgefährdend und damit wenig beunruhigend gewesen wäre. Doch nachdem die Faschisten in Italien die politische Macht ergriffen haben, geriet der Plan zunächst in Vergessenheit.
1939 stieß schließlich der italienische Konzern Montecatini ein Projekt an, das eine Stauung des Reschensees und des Graunersees von 22 Metern vorsah. Dafür sollten die beiden Seen zusammengeführt und die Dörfer Graun und Reschen geflutet werden. Bedingt durch den zweiten Weltkrieg passierte in den kommenden Jahren nicht allzu viel. Kurz nach Kriegsende setzte sich der Albtraum für die Bewohner von Graun und Reschen jedoch fort. Die Idee wurde wieder aufgenommen und die Stauung schließlich 1950 vorgenommen.
Es wurde eine Fläche von 677 Hektar geflutet. Die Bewohner von Graun und Reschen hatten in Bezug auf die Stauung kein Mitspracherecht. Fast 150 Familien verloren damals ihre Existenz. Sie wurden zwangsenteignet und erhielten nur eine kleine Abfindung. Ein großer Teil wurde in neu errichteten Baracken untergebracht. Schließlich mussten die Menschen ja irgendwie durch den Winter kommen. Nichtsdestotrotz war es in den Baracken kalt und die Zustände mehr als schlecht. Als Alternative blieb ihnen nur die Auswanderung.
Heute befinden sich auf dem Grund des Reschensees nur noch die Überreste der beiden Dörfer. Die Kirche St. Katharina wurde zerstört. Der Turm, der etwas abseits der Kirche stand, blieb erhalten. Er steht mittlerweile unter Denkmalschutz und wurde schon mehrfach saniert.
Der versunkene Kirchturm im Reschensee – Heute ein beliebtes Ausflugsziel
Der versunkene Kirchturm im Reschensee ist heute ein beliebtes Ausflugsziel für Südtirol-Besucher. Nachdem es auf der am See vorbeiführenden Straße immer wieder zu Staus kam, wurde kurzerhand ein Parkplatz gebaut, sodass Reisende ganz bequem einen kurzen Stopp einlegen und den Kirchturm bestaunen können. Wer möchte, kann von Juli bis Oktober mit dem Boot über den Reschensee schippern. Im Winter bietet der See sich zum Eislaufen an. Die traumhafte Berglandschaft im Vinschgau ist außerdem wie geschaffen für ausgedehnte Wanderungen.
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